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1888 als Folgeinvestition im Zuge der Errichtung einer Privatbahn entstanden, steht die Kirchdorfer Gruppe bis heute für die Symbiose aus Bahninfrastruktur und industrieller Entwicklung. Mit einer Vielzahl von eigenen Bahnanschlüssen.

Die Entstehung der nach wie vor im Besitz der Gründerfamilien stehenden international tätigen Industriegruppe wird mit dem Jahr 1888 datiert, in dem das Zementwerk in Kirchdorf seinen Betrieb aufnahm. Jedoch war das „Portlandzement-Werk“ nicht die erste Investition der beiden Gründer Adolf Hofmann und Emil Dierzer. Die erste Zusammenarbeit der beiden oberösterreichischen Industriepioniere war vielmehr der Bau der Kremstalbahn, die erste (private) Lokalbahn in Österreich, die 1881 zunächst von Linz nach Kremsmünster und in den folgenden Jahren weiter über Kirchdorf an der Krems bis nach Klaus ausgebaut wurde.

Emil Dierzer Ritter von Traunthal war der erste Präsident der privaten „Kremstalbahn-Gesellschaft“, die von Wirtschaftstreibenden und Banken der Region mit dem expliziten Ziel der „Hebung und Förderung des Handels, der Industrie und Landwirtschaft im Erzherzogthume Oberösterreich“ gegründet wurde. Oder in zeitgemäßeren Worten ausgedrückt: Die Investition in den Wirtschaftsstandort sollte sich irgendwann auch rechnen!

Als es daher in weiterer Folge darum ging, die neu eröffnete Bahnstrecke auch entsprechend auszulasten, kamen Adolf Hofmann und Emil Dierzer erstmals die potenziellen Kalkvorkommen im Bereich Micheldorf in den Sinn. Und damit vor allem die Möglichkeit, den wertvollen Rohstoff direkt und effizient über die kurz zuvor in Betrieb gegangene Lokalbahn in das benachbarte Kirchdorf an der Krems zu transportieren und dort in einem neu zu gründenden Zementwerk praktisch gleich direkt am Gelände rund um den neuen Bahnhof zu verarbeiten. 

Gründerzeit-Infrastruktur als Basis
Wir nennen die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts heute nicht umsonst „Gründerzeit“ – denn der Reichtum, der sich nach wie vor in den eleganten Gründerzeitvillen und imposanten Stadtpalais widerspiegelt, kam erstmals nicht aus feudalem Adelsbesitz, sondern von Fabriksbesitzern, Unternehmensgründern, Erfindern und Händlern. Und das entscheidende Infrastrukturprojekt, das diese ganze Industrialisierung vernetzte und beflügelte, war nichts anderes als die Eisenbahn!

Während die Industrialisierung ein Vierteljahrhundert später mit der Elektrifizierung, den Anfängen der Telekommunikation und schließlich dem Beginn des Automobilzeitalters in den 1920er-Jahren sozusagen einen neuen Gang einlegte, so verrichtet die Bahninfrastruktur bis heute ihre energieeffiziente Arbeit – und rechnet sich noch immer: Auch wenn die einstige „Kremstalbahn“ später verstaatlicht, modernisiert und ausgebaut in der Pyhrnbahn aufging und der alte Steinbruch in Micheldorf von einer neueren Abbaustätte ersetzt wurde, der Kremstaler Kalk wird auch 135 Jahre später nach wie vor über ein Förderband vom Brecher zur Verladestation befördert, mit Güterzügen bis zum Gleisanschluss des Kirchdorfer Zementwerks transportiert und dort wieder auf ein weiteres Förderband gekippt. Denn nur so werden die schweren Rohstoffe energieeffizient bis in den großen Drehrohrofen befördert, in dem der Kalk samt Zusätzen zum Zementklinker gebrannt wird. In dieser Hinsicht ist ein Zementwerk das Paradebeispiel einer wahrlich auf Generationen ausgelegten Organisation von Stoffströmen, die mit geringstmöglichem Reibungsverlust über die teils jahrzehnte-, wenn nicht jahrhundertelang gepflegte Schieneninfrastruktur gleiten.

Der Bahnanschluss ist wieder gefragt
Während die Bahnanbindung des Kirchdorfer Zementwerks seit 135 Jahren mehr oder weniger ein fixer Bestandteil des Konzepts ist, gilt das nicht unbedingt für die restliche Industrie. Die Kirchdorfer Gruppe, die sich mit ihren mittlerweile über drei Dutzend Standorten zu einer komplexen, internationalen Baustoffgruppe entwickelt hat, ist hier ein repräsentativer Mikrokosmos der wirtschaftlichen Entwicklung: Praktisch alle Unternehmensstandorte, die seit Generationen bestehen, verfügen über einen eigenen Bahnanschluss. Der – oft nach Jahrzehnten der Vernachlässigung – im Zuge der Ökologisierung der Lieferketten und des Anstiegs der Energiepreise gerade wieder massiv an Attraktivität gewinnt. Daher wurden unlängst auch über 1,5 Millionen Euro in die Modernisierung des Bahnanschlusses am MABA-Standort in Wöllersdorf investiert: Mit einem neuen, leistungsfähigeren Portalkran sowie der Modernisierung der Schienen erweitern sich dadurch die Möglichkeiten in der Logistik.

Ähnliche Bahnanschlüsse gibt es praktisch an allen Produktionsstandorten der MABA Fertigteilindustrie und ihrer Schwesterunternehmen in den Kirchdorfer Concrete Solutions  – von Micheldorf in Oberösterreich über Gerasdorf bei Wien bis hin nach Sollenau, wo der Großteil der Bahnschwellen für den österreichischen Markt gefertigt und zum überwiegenden Teil direkt per Schiene bis an den Einsatzort ausgeliefert wird. 

Per Bahn in die grenznahen Exportmärkte
Ein komplett neuer Gleisanschluss wurde unlängst bei der Katzenberger Fertigteilindustrie in Wiesing errichtet. Damit eröffnet sich für das Tiroler Fertigteilwerk, das von der Kirchdorfer Gruppe gemeinsam mit der Unternehmerfamilie Fröschl betrieben wird, ein gänzlich neuer Exportmarkt, der kostenmäßig und ausschreibungstechnisch per Lkw-Fracht gar nicht mehr möglich wäre: So werden zum Beispiel Tübbinge zur Auskleidung eines großen Tunnelprojekts über insgesamt 300 Bahnkilometer direkt vom Lagerplatz in Wiesing bis an die Baustelle am Schweizer Wallersee geliefert. 

Durch Verladung mit einem 40-Tonnen-Portalkran direkt auf die Bahnwaggons erweitert sich der Operationsradius und Absatzmarkt für schwere Betonfertigteile wie Tübbinge und Gleistragplatten damit deutlich – und somit auch die Marktposition der Tiroler Tunnelspezialisten, die nun für den Rest des Jahrhunderts mit den angrenzenden Exportmärkten verbunden sind: energiesparend, langfristig und nachhaltig.

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